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Der Atlas von Kleinzschocher

Foto: Norbert Lotz / 23.08.2023
Foto: Norbert Lotz / 23.08.2023

Schwer hat der Atlas vor dem Eingang des großen backsteinfarbenen, einstigen Betriebsgebäude zu tragen. Sollte er ein steinernes Statement des einstigen Fabrikbesitzers für den weltumfassenden Export seiner Putz- und Reinigungsmittel sein? Aber warum der von Zeus bestrafte Titan, der das Universum auf alle Ewigkeit am westlichen Punkt der damals bekannten Welt zu stützen hatte? Obwohl er (wie auch hier) er bei den meisten Darstellungen in der Kunst und Architektur dann „nur noch“ die Erdkugel tragen muss, ist das nicht eher eine Last? Warum gerade diese Darstellung und wer Schöpfer dieser imposanten Plastik ist, ist nicht geklärt. Zudem stellt sich beim Anblick die Farge: Welche offensichtlich damals bedeutende Firma hatte hier in Kleinzschocher, in der Limburgerstraße ihren Produktionsstandort? 

Fritz Schulz gründete 1878, die Fritz Fritz Schulz jun. oHG. Ein Fabrikgeschäft chemisch-technischer Produkte. 1881 trat Gustav Adolph Phillip als Mitinhaber in dieses Fabrikgeschäft ein und heiratet am 22. September 1881 die Schwester von Schulz, Bertha Amalie Anna Schulz (1854–1907). Sitz der Firma war in der Leipziger Hardenbergstraße 11.

1893 begann die gegründete Vereinigten Neuburger Kreidewerke Schulz & Philipp in Neuburg an der Donau mit der Kieselkreidegewinnung. Ein Rohstoff, der in dieser Zusammensetzung nur in Neuburg an der Donau zu finden ist. 1897 entsteht das Produktionsgebäude in Leipzig-Plagwitz, die später als Globuswerke bekannte Produktionsstätte. Als Schleifmittel wird die Kieselkreide dort in verschiedenste Reinigungsprodukte eingearbeitet. Der rasante wirtschaftliche Erfolg ermöglichte Anfang 1900 die Gründung der Fritz Schulz jun. AG Chemische Fabriken und Kieselkreidebergwerke, Blechemballagen- und Kartonagenfabriken. 

Foto: Norbert Lotz / 23.08.2023
Foto: Norbert Lotz / 23.08.2023

„Die Fritz Schulz jun. AG besaß die Tochterunternehmen Fritz Schulz jun. Comp. in Lincoln bei New York und The Globe Polish Co. Ltd. in Stratford (London). Diese wurden aber im Ersten Weltkrieg beschlagnahmt. Das führte zu einem großen Absatzrückgang. Es bestanden danach nur noch das Hauptwerk in Leipzig und das Kieselkreidebergwerk in Neuburg sowie eine Beteiligung an der Fritz Schulz jun. AG in Aussig (Sudetengau)."

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Fritz_Schulz_jun._AG

Der Fabrikkomplex wurde 1905 und 1909/11 beständig erweitert. Auffälliges Schmuckelement des zur damaligen Zeit hoch moderne Industriebaus mit Eisenbetonrippendecke ist die monumentale Atlas-Plastik in der Mitte des Eingangsbereichs. Der vom Atlas getragen Globus ist Namensgeber für zahlreiche Produkte und letztendlich der Firmennennung als „Globus-Werke“.

„Deutschlandweit bekannt wurde die Firma vor allem durch die Herstellung von Reinigungs- und Pflegeprodukten. Zum Sortiment der Firma gehörten Putzextrakte, feste und flüssige Leder- und Metallputzmittel, Putzseifen, Putzpulver, Glanzstärken, Mottenmittel, Bohnerwachs, Waschpulver, Autopolitur und andere chemische Erzeugnisse, aber auch Blechemballagen, Kartonagen und Kisten.“

Quelle: Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Fritz_Schulz_jun._AG

Die meisten Warenzeichen der Fritz Schulz jun. AG trugen im Namen die Bezeichnung „Globus“, von Globus-Silberseife über „Globus-Marschstiefelpuste“ bis „Globo-Teerentferner“ war alles dabei. Zahlreiche Reinigungsmittel wurden in den Globus- Werken produziert.

Katalogisiert wurden die hauseigenen Marken in die Rubriken:

*für den Metall-Putz

*ür die Wäsche

*für Ofen- und Herdputz

*zur Möbelpflege

*zur Fußbodenpflege

*zur Schuh- und Lederpflege

*zur Insekten-Bekämpfung

*zur Auto-Pflege

*zur Haushalt- und Händereinigung

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Fritz_Schulz_jun._AG
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Fritz_Schulz_jun._AG

 

 

Im zweiten Weltkrieg erlitt der Gebäudekomplex schwere Beschädigungen. In den verbliebenen Produktionsstätten an der Limburgerstraße wurde unter anderem Namen weiter produziert. 1949 verstaatlicht, firmierte die Firma von Fritz Schulz in Chemisch-technischer Betrieb VEB Globus-Werke Leipzig um. Unter de „Variochem“ Vereinigung volkseigener Betriebe, wurden in den Globus-Werken, Leipzig W 31 weiterhin Mittel für Haushalt und Gewerbe hergestellt. Das Mottenmittel „Globol“ zum Beispiel. 

 

Anmerkung, beachtenswert: Auf dem Briefbogen die Bemerkung in der Fusszeile:  Bahnsendungen nach Leipzig-Plagwitz, Privatgleis 48 

Es sollte nicht die letzte Umbenennung sein bis die Produktionsstätte der ehemaligen Fritz Schulz jun. AG in der Limburger Straße stillgelegt und die Fabrik 1995 geschlossen wird:

„Später gab es noch diverse Umbenennungen in VEB Aerosol-Automat Karl-Marx-Stadt, Betriebsteil Leipzig, VEB Wittol Wittenberg, Betriebsteil Autopflegemittelfabrik Leipzig und VEB Otto Grotewohl Böhlen, Betriebsteil Autopflegemittel Leipzig. Nach der Reprivatisierung des VEB Otto Grotewohl wurde die Produktion unter dem Dach der Sächsischen Olefinwerke AG Böhlen weitergeführt."

Quelle: Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Fritz_Schulz_jun._AG 

Aus den DDR-Produktionszeiten werden wohl Einigen noch die Marke „Karipol“ (Autopflegemittel- und -betriebsstoffe), das Scheibenreinigungsmittel „Klarofix“ und die begehrte alles auf Hochglanz bringende Polierpaste „Elsterglanz“ in Erinnerung sein, die hier in den ehemaligen Globus-Werken hergestellt wurden.

 

Und natürlich gab es eine Menge "Zaubermittel" für den Automobilliebhaber aus den Globus-Werken, wie diese Werbung zeigt. Auffordernde Worte: "Verlangen Sie GLOBO Autopflege"!

 

Quelle:  https://altes-leipzig.net/reklame-veb-globuswerk-leipzig-w31

Foto: Norbert Lotz / 23.08.2023
Foto: Norbert Lotz / 23.08.2023

 

Heute steht der Gebäudekomplex der ehemaligen Globus-Werken auf der Liste der Kulturdenkmäler im Freistaat Sachsen. Als ehemalige Fabrikanlage mit mehreren Fabrikgebäuden (Limburgerstraße 74a und Klingenstraße 15c), einem Verwaltungs- und Laborgebäude (Limburger Straße 72, bis 2015 Gießerstraße 48) sowie einer Fabrikhalle (Gießerstraße 46).

Foto: Norbert Lotz / 23.08.2023
Foto: Norbert Lotz / 23.08.2023

 

Dort heißt es: "„Reich gegliederte Klinkerbauten in späthistoristischen und jugendstiligen Formen, verschiedentlich eiserne Zieranker, innere Konstruktion teils in Stahlbeton, überlebensgroße Steinplastik des globustragenden Atlas"

Im Jahr 2016 wurde der gesamte Gebäudekomplex umfassend saniert. Es entstanden Wohneinheiten als sog. Denkmalsimmobilie, moderne Lofts in einem Industriedenkmal.

Auf der bewerbenden Homepage der BHW Immobilien heißt es:

„Eines der traditionsreichen Fabrikgelände im Leipziger Stadtteil Plagwitz wird mit neuem Leben gefüllt. Aus den ehemaligen Produktionshallen und Bürokomplexen der GLOBUSWERKE entstehen hochwertige Wohnungen und Geschäftsräume. Die imposante Historie des Gebäudekomplexes ist in dem anspruchsvollen Wohnkonzept stets fühlbar und präsent.“

(Damalige) Mieterwartung: ab 7,50 Euro 

Quelle: https://www.bwh-immobilien.de/de/expose/globuswerke_leipzig

Fotos: Norbert Lotz 23.08.2023

So sah der nunmehr schmucke Gebäudekomplex vor, respektive während der Sanierungsarbeiten aus. 

Foto: Bert Hähne
Foto: Bert Hähne

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