Unvorstellbare Werte, unvorstellbar wertlos.

Was für ein Fund, den ich da machte, damals als kleiner Junge bei Oma im Schrank.….

Unvorstellbar: 200, gar 500 Mark in Form einer Münze und dazu nicht mal in Untersetzergrösse und aus schwerem Edelmetall, wie man es bei so einem Wert erwartet hätte, sondern aus dünnem Aluminium. Dazu ein Geldschein mit sooo vielen Nullen. Damals wusste ich noch nicht, das ich als späterer Sammler von historischen Geldscheinen noch Scheine mit weitaus höherem „Wert“ in den Händen halten sollte. Aber diese spätere Sammelleidenschaft hat wohl bei diesem Stück Papier, diesem Fund in Omas Wäscheschrank ihren Ursprung.

 

Ich staunte als Kind nicht schlecht, als ich diese Stücke im Wäscheschrank entdeckte. Ich musste einen Schatz entdeckt haben! Denn wenn man Eines als Kind schon weiß: Je mehr Nullen auf einem Geldschein, je wertvoller ist er! (später kam noch die Werteinschätzung: je schwerer, umso teurer hinzu). Also ging ich mit diesem Fund, ehrfürchtig den Schein tragend, zu meiner Oma, die allerdings schnell, bekleitet von einem Lächeln, meinen vermeintlich gefundenen Reichtum zerredet. Der Schein ist nicht mal das Papier wert, auf dem er gedruckt wurde. Und das nicht erst jetzt, weil er keine Gültigkeit mehr besaß, selbst damals kurz nachdem man ihn in Umlauf gebracht hatte war das so. 

 

Und dann erzählte Sie mit teils wehmütigem, teils aufgeregtem Unterton in Ihrer Stimme von den 20er Jahren, der Zeit der Inflation. Als diese die Nullen auf den Banknoten vermehrte, den Wert des Geldes jedoch schwinden lies. Bald war selbst der Neudruck von Geldscheinen zu kostenintensiv, so das man alte Scheine einfach mit einem vermeintlich wertsteigernden Überdruck versah. Nicht nur die Geldscheine trugen Aufdrucke gigantischer Summen, auch Briefmarken wurden via Überdruck aufgewertet. 125.000, 400.000, 2 Millionen Mark….Briefmarkenporto! Eine Postkarte von Oschatz nach Freiberg musste man Anfang 1923 mit 50 Milliarden Mark freimachen. Wahnsinn! 

 

In einer Zeit als Oma sich beim Bäcker zwei Straßen weiter Kuchenränder zum Essen erbettelte und ein Stück Zuckerkuchen der Himmel auf Erden war. Männer versoffen lieber gleich das Geld aus ihren gerade erhaltenen Lohntüte, bevor es villeicht schon am Folgetag nur noch ein Bruchteil Wert war. Zum Bier gab es natürlich einen Korn aus einem humorvoll anmutenden Schnapsbecherchen. Offenbar ein Erinnerungsstück aus besseren Zeiten: Einem zu diesem Zwecke umgearbeiteten Isolator. Vielleicht ein Werbegeschenk eines Handelsvertreters. Das Bier und der Schnaps, den sich auch Opa zu dieser Zeit manchmal in der „Rennbahnklause“ drei Häuser weiter genehmigte, machte die Sache natürlich nicht besser, aber irgendwie erträglicher, sagte Oma. Richtig böse war Sie Opa wohl nie. 
 
Also kein Schatz, den ich da gefunden hatte, kein wirklicher Megafund. Ich habe ihn trotzdem alle Jahre aufgehoben, behütet und gesichert, den Schein  mit den sieben 0.000.000. Mein Schatz!

 

Objektbestand aus meinem „Kaleidoskop der Erinnerungen“