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Leipziger Löwen (Teil 2)

Da der Löwe im Straßenbild so zahlreich zu entdecken ist, bedarf es bei all dem Foto- und Recherchematerial eines Teils 2 der "Leipziger Löwen".

Den ersten Teil, wenn er von Interesse ist und noch nicht gelesen wurde, findet man hier:

Und wir machen gleich weiter mit einem ganz besonderen Beispiel für die sprichwörtliche Entdeckung leibhaftiger Wappentiere in den Straßen Leipzigs...

Die Leipziger Löwenjagd

In der Leipziger Historie gibt es im Bezug auf Löwen in der Stadt auch denkwürdige Ereignisse, die jedoch aus heutiger Sicht fast schon absonderlich anmuten. Insbesondere der "marketingtechnische Aspekt", so würde man es sicher in der heutigen Zeit formulieren, scheint ideenreich aber teils sonderbar. So geschehen bei der sogenannten "Leipziger Löwenjagd". Es begab sich im Jahre  1913, gerade als zur Einweihung des Leipziger Völkerschlachtdenkmals viel Publikum und Prominenz in der Stadt weilte. Aus dem Bestand eines Zirkus, der während der Feierlichkeiten in der Stadt gastiert hatte entflohen 8 stattliche Raubkatzen, die dann in Leipzigs Straßen für Aufsehen sorgten und zur sog. Löwenjagd führten. 

 

Die ausführliche Version der Ereignisse: "„Anlässlich der Feierlichkeiten zur Einweihung des Völkerschlachtdenkmals am hundertsten Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig hatte der Zirkus Barum mehrere Tage in Leipzig gastiert. Das Zelt war auf dem Messplatz an den Frankfurter Wiesen aufgestellt, wo seit 1907 auch die Leipziger Kleinmesse (♁Karte) stattfand. Heute befindet sich an dieser Stelle die Arena Leipzig.

Gleich nach der Abendvorstellung des 19. Oktober wurden die Tiere per Pferdewagen zur Verladung auf den Güterbahnhof gebracht. Die Fahrt ging über die Auenstraße (heute Hinrichsenstraße) in Richtung Berliner Straße, um zum Preußischen Freiladebahnhof nördlich der Roscherstraße zu gelangen. Die Kutscher des Löwen- und des Bärenwagens stellten ihre Fuhrwerke unbeaufsichtigt vor der Bierkneipe Graupeter in der Berliner Straße 42 ab und besuchten diese. Die Pferde des hinteren Wagens mit den Bären wurden unruhig und durchstießen mit der Wagendeichsel die Rückwand des Löwenwagens, worauf acht der zehn Löwen ins Freie entkamen, weil – es war neblig – auch noch eine Straßenbahn die nun auf die Gleise geratenen Fuhrwerke rammte.

Der Streifenpolizist Bruno Weigel und weitere herbeigerufene Polizisten, vornehmlich aus der 8. Polizeiwache in der Yorckstraße (jetzt Erich-Weinert-Straße), eröffneten das Feuer auf die Tiere und töteten in kurzer Zeit fünf von ihnen. Der Zirkusdirektor Arthur Kreiser und der Direktor des Leipziger Zoos Johannes Gebbing und sein Oberwärter Hermann Fischer, die mit weiteren Mitarbeitern inzwischen eingetroffen waren, beschlossen, die drei verbliebenen Löwen, die sich vor der Schießerei zu retten versucht hatten, lebend einzufangen."..."Mit einer Kastenfalle konnten Polly im Hotel sowie ein weiterer Löwe in einem Hof in der Berliner Straße problemlos eingefangen werden. Auf den letzten, schon von den Fängern eingekreisten Löwen – es war Abdul – warf einer der Umstehenden einen Stein, sodass dieser zu einer Bewegung ansetzte, worauf die Polizei wieder das Feuer eröffnete und ihn erschoss. Bei der Obduktion Abduls wurden 165 Treffer gezählt.

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Leipziger_Löwenjagd

 

Nach Beendigung der Hatz präsentierte man die erlegten Großkatzen mit den erfolgreichen Jägern in der 8ten Polizeiwache. Natürlich machte man davon ein Foto und später gingen auch Postkarten in den Druck:

Dann ab mit den toten Löwen in den Zoo, sozusagen als "Ausstellungsstücke" eine ganze Woche lang und natürlich für weitere Erinnerungsfotos und Postkartenmotive.

 

"Die sechs getöteten Löwen waren eine Woche lang im Wirtschaftshof des Leipziger Zoos  zu besichtigen. In einem Gerichtsprozess wurde einer der Kutscher zu fünf Tagen Haft oder 25 Mark Geldstrafe verurteilt, was etwa einem Wochenlohn entsprach, und der Zirkusdirektor Kreiser zu zehn Tagen oder 100 Mark Geldstrafe wegen „Unterlassung erforderlicher Vorsichtsmaßregeln zur Verhütung von Beschädigungen bei der Haltung bösartiger oder wilder Tiere“ (§ 367 Ziffer 11 StGB). Härter traf ihn der Verlust der sechs Löwen im Wert von 30.000 Mark."

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Leipziger_Löwenjagd

Eines der bekanntesten Bilddokumente von der Leipziger Löwenjagd ist diese alte Ansichtskarte mit erklärendem Text auf der Vorderseite. Zu sehen sind die sechs erschossenen Großkatzen und dahinter die Raubtierpflegern (rechts Hermann Fischer), die zwei Löwen einfingen und ihnen so das Leben retteten.

Text auf der Kartenrückseite „Am 19. Okt. 1913 Nachts gegen 12 Uhr entkamen aus einem Transportwagen des Zirkus Barum in der Blücherstraße in Leipzig 8 Löwen. Einer wurde von den hier abgebildeten Wärtern in einem Hotel in der Blücherstraße mittels Kistenfalle eingefangen. Ein 2. wurde in einem Hofe der Berliner Straße gefangen, während die übrigen 6 Bestien durch Revolverschüsse von Lpzg. Schutzleuten getötet wurden.“ Rechts ist der Raubtierpfleger Hermann Fischer abgebildet, er hat im Leipziger Zoo eine Vielzahl von Löwen aufgzogen.

Der "Löwenstein"

 

Es soll ihn sogar immer noch geben, den kleinen Stein, der als Wurfgeschoß bei der Leipziger Löwenjagd eingesetzt worden sein soll. Ob es sich jemals um den tatsächlichen Stein aus diesen Tagen gehandelt hat und er noch immer ein original Zeitzeugnis der Ereignisse ist...Man weiß es nicht ;-) 

Dazu jedenfalls gibt es eine recht glaubwürdige Geschichte:

Foto und Autorin Text Silvia Drescher

"Bei der Jagd auf den Löwen »Abdul« warf ein Passant einen Stein. Folglich setzte sich das umstellte Tier in Bewegung, rannte in Richtung der schussbereiten Polizisten und wurde schließlich durch 165 Pistolentreffer getötet.

Der Passant nahm sich den »Löwenstein« als Andenken an seine Beteiligung an der Löwenjagd mit und bewahrte ihn auf.

Der Passant kannte meinen Uropa, denn beide waren Studienfreunde. Sie hatten zusammen die Einweihung des Völkerschlachtdenkmals miterlebt und waren an jenem 19. Oktober 1913 gemeinsam im Zirkus Barum gewesen. Auf ihrem Weg nach Hause wurden sie in die Löwenjagd verwickelt und beteiligten sich an der Jagd.

Am Ende der gemeinsamen Studienzeit in Leipzig schenkte der Passant meinem Uropa zum Abschied den Löwenstein. Dieser nahm ihn bei seinem Umzug mit nach Pausa, denn dort lebten er und seine Familie nach seinem Studium. Seine Tochter (meine Oma) hörte staunend zu, wenn er die Geschichte des Löwensteins erzählte. Im Lauf der Jahre geriet der Stein in Vergessenheit. Keiner wusste mehr, wo er sich befindet." 

 

"Der Fund. An einem verregneten Samstagvormittag suchte ich auf unserem Dachboden nach einem Buch. Als ich in einem alten Schrank nach sah, entdeckte ich einen Stein. Ich dachte mir nichts dabei und ließ ihn, nachdem ich das Buch gefunden hatte, auf dem Schrank liegen. Am Nachmittag, als meine Oma gerade die Wäsche aufhängte, hörte ich auf einmal einen Freudenschrei. Schnell eilte ich zu ihr. Sie rief immer wieder: »Der Löwenstein!« Aufgeregt erzählte sie mir die Geschichte des Steins, wie er bei der Leipziger Löwenjagd verwendet wurde, wie ihn der Passant meinem Uropa geschenkt hatte und dass ihr Vater ihr immer diese Geschichte erzählt hatte.

Die Geschichte des Löwensteins erzählt mir meine Oma seitdem immer wieder, wenn wir zusammen auf dem Dachboden stöbern oder wenn die Worte »Völkerschlacht« oder »Völkerschlachtdenkmal« in einem Gespräch fallen. Für sie sind die Einweihung des Völkerschlachtdenkmals und die Leipziger Löwenjagd untrennbar miteinander verbunden und für mich seit meinem Fund auch."

Quelle:  https://studienart.gko.uni-leipzig.de/1813/wp-content/uploads/sites/9/2013/07/loewenstein_drescher.pdf

 

Wie oben schon bei der "Zurschaustellung" der erlegten Löwen erwähnt, reagierten die Postkartenverlage als erste mit Fotopostkarten und lustigen Karikaturen auf die Leipziger Löwenjagd am 19. Oktober 1913. So zum Beispiel mit diesem gezeichneten Motiv:

Postkarte gemeinfrei
Postkarte gemeinfrei

Löwen als Werbemittel der etwas anderen Art

Werbepostkarte - Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, -gemeinfrei-
Werbepostkarte - Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, -gemeinfrei-

 

 

 

 

Eine der Löwen, die die wilde Jagd der Polizei überlebte war die Löwin Polly, die sich in das nahegelegene Hotel Blücher in der Blücherstraße 20 (jetzt Kurt-Schumacher-Straße) rettete. Dort sperrte man sie vorerst in einer Toilette ein, bis es den Tierpflegern gelang sie lebend zu fangen.  Ein Geschehen, welches das Hotel später zu nutzen wusste und es werbetechnisch auf hauseigenen Postkarten verwendete. 

Neben dem Hotel Blücher nutzten auch andere Institutionen der Stadt, insbesondere im Fremdenverkehr und in der Gastronomie den Vorfall mit dem geflüchteten Vertretern des Leipziger Wappentiers für ihre Werbung. Im bekannten "Auerbachs Keller" wartete man sogar mit einer speziellen "Löwen-Speisen-Karte" auf. Obwohl alle mit dem Zusatz "Löwen.." versehenen Speisenangebote reine Phantasiebezeichnungen waren (echtes Löwenfleisch wurde nicht verarbeitet), war es sicherlich ein damals Aufsehen erregender werbetechnischer Schachzug. Viele Wirte und Hoteliers nutzten die "Leipziger Löwenjagd" für ihre hauseigene Werbung und Besucherakquise. Neben "Auerbachs Keller" so auch "Aeckerleins Keller", ein Weinlokal am Markt 11 in dem man in der Folgezeit der "Großen Löwenjagd" musikalisch-literarisches Feinschmeckeressen veranstaltete. 

Selbst der in Chemnitz ansässige Strumpffabrikant Wilhelm Dohmen wollte mit einer doch recht eigenwilligen "Verknüpfung" der Ereignisse bei der "Leipziger Löwenjagd" mit seinen  Wanderluststrumpffabrikaten seine Produkte bewerben. Zu sehen auf  6x5 cm großen Reklamemarken die er 1913 in Umlauf brachte. Diese alten Reklame- oder auch Ereignismarken (zwischen 1900 und 1918) wurden seinerzeit für die Werbung benutzt und fleißig gesammelt. 

Bei Löwenjagden sind Wanderluststrümpfe unentbehrlich.

Strapazier-Strümpfe bewähren sich bei Löwenjagden vorzüglich.

Der Löw' ist los, Wanderluststrümpfe sind tadellos. 


Wanderlust-Strümpfe hätten bei Löwenjagden in Gebrauch sein sollen

Schulstrümpfe machen bei jeder Gelegenheit gute Schule. 

Fragen Sie nach Essinddie-Söckchen im nächsten Wollwaren-Geschäft!


Anmerkung: 1920"...kommen zirka 70 % des amerikanischen Marktes und schätzungsweise  80% des Weltmarktes an Strumpfwaren aus den sächsischen Strumpffabriken im Erzgebirge und dem Chemnitzer Vorland." Mehr dazu gibt es hier zu lesen

Eine Löwenstatue wandert...

Gemeint ist die Statue eines liegenden Löwen, die einst das Kriegerdenkmal im alten Augusteum schmückte mit ihrem wechselvollem Standort. Das auch als "Löwendenkmal der Universität Leipzig" bezeichnete Denkmal war ein Kriegerdenkmal für die im Ersten Weltkrieg gefallenen 1396 Studenten und Hochschullehrer der Universität Leipzig.

 

Foto:  Archiv Uni Leipzig -gemeinfrei-
Foto: Archiv Uni Leipzig -gemeinfrei-

"Die feierliche Enthüllung des von August Gaul (1869–1921) gestalteten und von Max Esser (1885–1945) und Ludwig Nick (1873–1936) vollendeten Denkmals erfolgte am 31. Oktober 1924 in der Wandelhalle im Augusteum der Universität Leipzig. Gestiftet wurde es von dem Fabrikanten und Kommerzienrat Heinrich Toelle aus Blauenthal im Erzgebirge. Es zeigt wie viele derartiger Denkmäler die gedankliche Nähe der Studenten wie auch vieler Professoren zum untergegangenen Kaiserreich und Rechtfertigung des I. Weltkriegs als angeblichem "Verteidigungskrieg". Diese symbolisieren bzw. heroisieren Werte wie Stärke, Wehrhaftigkeit, Treue zum Vaterland und Opferbereitschaft. Dieser Löwe ist als Grablöwe in seiner Funktion zu charakterisieren."

Quelle: wikipedia Siehe auch hier 

Foto: Norbert Lotz 1980er Jahre
Foto: Norbert Lotz 1980er Jahre

 

Als man 1968 die Paulinerkirche und die alten Geübte der Leipziger Universität, so auch das Augusteum für die Umsetzung sozialistischer Architekturpläne sprengte wurde der Sockel aus Sandstein, der wie ein Sarg gestaltet war, vernichtet. Der liegende Löwe aus Kirchheimer Muschelkalkstein jedoch blieb erhalten. In den 70er Jahren (bis 1993) schmückte er, Wind und Wetter schutzlos ausgesetzt, einen Treppenaufgang auf dem Sachsenplatz. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie dieser Löwe von Kindern (auch von mir) gern angenommen Klettergerät bei einem Innenstadtbesuch war. Einen Hinweis auf den ursprünglichen Standort suchte man natürlich damals vergeblich. 

Foto: Norbert Lotz 1980er Jahre
Foto: Norbert Lotz 1980er Jahre
Foto: Norbert Lotz 10/2023
Foto: Norbert Lotz 10/2023

Dann zog der Löwe weiter, erst ins Treppenhaus des Rektoratsgebäudes und  2014 hat er seinen definitiven Aufstellungsort gefunden. Im Neuen Augusteum. An fast gleicher stelle wie das ursprüngliche "Löwendenkmal der Universität Leipzig" im alten Augusteum. Der Sockel wurde nachempfunden. Er trägt (bisher) keine Inschriften. Leider fehlt auch ein Hinweis auf das ursprüngliche Denkmal. Der Hintergrund ist jedoch mit einer schönen Ansicht der alten Bausubstanz gestaltet. Der Zustand des Sandsteinlöwen schlecht ist. Die Verwitterung seines "Freiluftaufenthaltes" auf dem Sachsenplatz sind augenscheinlich. 

Der Löwe zu ritterlichen Füßen in der Thomaskirche

Über meine „Sofortkontakt“ unter meinen Beitrag erreichte mich am 15. Juni 2025 folgende Nachricht:


Guten Tag!
Ich bin ehemaliger Leipziger und stieß grad eher zufällig auf Ihre Sammlung der Leipziger Löwen. Wunderbar, die mal alle auf einem Haufen zu sehen! Danke!
Aufgefallen ist mir, dass die vermutlich älteste erhaltene Leipziger Löwendarstellung fehlt (abgesehen von der Darstellung im Stadtwappen, die noch ein bisschen älter ist), selbst wenn Sie bestimmt gar keinen "Vollständigkeits-Anspruch" haben: das Epitaph des Hermann von Harras in der Thomaskirche. Der Ritter verstarb zu Lichtmeß 1451 und steht in der plastischen Darstellung im Epitaph auf einem Löwen.

Herzlichen Gruß aus Goseck - im weitesten Sinne "bei Leipzig" -
vom Robert Weinkauf

Foto: NL / 16.07.2025
Foto: NL / 16.07.2025

Herzlichen Dank dafür.

Natürlich gehört ein solch „altes Exemplar“ mit in die Sammlung Leipziger Löwen. Zugegeben ist die Thomaskirche ein Ort, den ich recht selten besuche, und so war mir der Löwe noch nicht aufgefallen. Dazu kommt, dass diese frühen Löwendarstellungen, vielleicht aus Mangel an originalen Referenzobjekten für den ausführenden Bildhauer, nicht wirklich sofort als Löwe erkennbar sind ;-)
Aber laut Beschreibung des in der Kirche befindlichen Epitaphs handelt es sich tatsächlich um einen Löwen.

Also bin ich bei meinem nächsten Besuch der Leipziger Innenstadt in die Thomaskirche auf Spurensuche nach dieser Löwendarstellung gegangen. Schwer ist die Grabplatte des Ritters Hermann von Harras nicht zu finden, gleich links neben dem Eingang befindet sich das Epitaph an der Wand.
Auf der 1,11 m breiten und 2,18 m hohen Sandsteinplatte ist in (wahrscheinlich Lebensgröße) die etwa 1,66 m hohe Gestalt des Ritters plastisch aus dem Stein gearbeitet. In voller Rüstung steht er mit den Füßen auf einem kauernden Löwen, besagte Löwendarstellung.

 

Man vermutet, das das Grabdenkmal für den Ritter erst am Ende des 15. Jahrhunderts entstand. Diese zeitliche Einordnung gründet auf verwendete Gestaltungselemente. Gestorben ist der Ritter bereits 1451 wie auch die Umschrift der Sandsteinplatte verrät:

„nach crist geburt m cccc li iare ā unss libē frauē tag lichtwihe ist v’storbē Er herman von harras ritter dē got gnade. -

Nach Christi Geburt 1451 Jahre am Lichtweihetag unserer lieben Frau ist verstorben Herr Hermann von Harras, Ritter, dem Gott gnädig sei“ (1)

 

Foto: NL / 16.07.2025

Wer war Hermann von Harras und warum trägt sein Grabrelief gerade einen Löwen?

Das Geschlecht derer von Harras war eine alte thüringische Adelsfamilie.
Der Name wurde vermutlich vom Ort Harras im Kyffhäuserkreis (Ortsteil der Gemeinde Oberheldrungen) entlehnt.
Hermann von Harras wurde um 1400 als Sohn des landgräflich-thüringischen Marschalls Ritter Albrecht von Harras geboren. Wo, ist nicht überliefert.
Hermann von H. wurde 1424 erstmals erwähnt und nahm mit seinem Bruder Werner 1438 an der Schlacht bei Sellnitz gegen die Hussiten teil. Vor der Schlacht wurden beide gemeinsam mit dem Kurfürsten Friedrich von Sachsen, Nickel Pflug dem Eisernen und weiteren Herren zum Ritter geschlagen.
Von Harras starb am 2. Februar 1451 und erhielt offensichtlich eine Begräbnisstätte in der Leipziger Thomaskirche.

Der mit ihm 1438 zum Ritter geschlagene Nickel Pflug ist nun übrigens links an seiner Seite. Nickel Pflugk starb 1482 und wurde in der Pflugkschen Kapelle an der Nordseite der damaligen Klosterkirche St. Pauli in Leipzig beigesetzt. Sein Grabstein, der ihn als jungen Mann zeigt, wurde nach dem Abriss der Pflugkschen Kapelle 1844 in den Kreuzgang der nunmehrigen Universitätskirche überführt. Nach der Sprengung der Universitätskirche 1968 befindet er sich jetzt in der Leipziger Thomaskirche. Auch auf diesem Epitaph ist ein Tier zu Füßen des zu entdecken. Hier handelt es sich sicherlich um einen Hund.

 

 

 

Foto: NL / 16.07.2025

Was hat nun der Löwe zu Füssen des Ritters Hermann von Harras auf sich?

Dazu berichtet der deutsche Bibliograf, Sagenforscher und Literaturhistoriker Johann Georg Theodor Grässe. (* 31. Januar 1814 in Grimma;) folgende Sage:

 

Grässe besaß übrigens das bekannte Schloss Wackerbarth in Niederlößnitz (Sächsisches Staatsweingut), welches er im Jahr 1882 erwarb und dort drei Jahre nach Beginn seines Ruhestands als Hofrat am 27. August 1885 starb.

„Harras war in fremde Lande in den Krieg gezogen, während dessen hatte sich seine Braut mit einem Anderen verlobt und der Teufel soll ihn davon unterrichtet und versprochen haben, dass wenn er sich ihm zu Eigen geben wolle, er ihn noch vor Vollziehung der Ehe nach Leipzig schaffen werde. Harras willigte ein, unter der Bedingung, dass auch sein getreuer Löwe ihn begleiten dürfe, er legte sich darauf auf selbigem zum Schlafen nieder und in Leipzig angelangt, weckte ihn der Löwe durch sein Gebrüll, sodass er die Heirat noch verhindern und seine Braut selbst heimführen konnte.“ (2) 

 

Etwas verständlicher und ausführlicher wird die Geschichte um den Löwen zu Füßen des Ritters in „Leipziger Sagen - neu erzählt von Jürgen Friedel" beschrieben:

„Hermann hatte sich entschlossen‚ an einem Kreuzzug teilzunehmen. An den Heiligen Stätten wollte er wohl auch Sühne üben für sein Tun, hauptsächlich aber die biblischen Orte gegen die Türken „verteidigen“.
So ließ er seine schöne junge Frau allein und begab sich mit anderen Kampfes lustigen gläubigen Männern in den vorderen Orient. War schon der Weg dahin nicht gefahrlos, lauerte dort an vielen Stätten der Tod. Dennoch hoffte die treue Frau in der Heimat, ihren Mann lebend wieder zu sehen. Monate vergingen ohne Nachricht, Jahre. Freier stellten sich ein, die gern die einsame Frau getröstet hätten. Doch stolz und treu wies sie alle Werbungen ab.
Da kehrte nach Jahr und Tag ein Knappe heim. Der gab an, gesehen zu haben, wie Hermann von Harras bei blutigen Gefechte gefallen sei. Nun fühlten sich die Freier erst recht bewogen, um des Ritters Frau zu werben. Oft standen sie tagelang vor ihrem Haus und brachten ihr in Liedern und Geschenken die Liebeswünsche dar. Endlich fand sie sich bereit, einen zu erhören, da vom Ritter jedes Lebenszeichen fehlte.
Doch der lebte! Er wollte aber erst heimkehren, wenn den bedrängten Christen dauerhaft geholfen war. Da trat der Teufel an den von vielen Wunden Gezeichneten heran: „Hast du deine schöne Frau vergessen? Bald wird sie einem anderen gehören, denn dich hält sie längst für tot.“ Ritter Hermann erschrak. Was sollte er tun? Wie so schnell den weiten Weg bewältigen? „Wenn du mir gehören willst, werde ich dich nach der Heimat bringen, ehe du dich versiehst. Dann kannst du deine Frau noch rechtzeitig in deine Arme schließen.“
Als treuer Christ wollte sich Hermann freilich nicht dem Bösen so ergeben und schlug ihm eine Wette vor. „Bringst du mich und meinen Löwen nach Hause, und ich schlafe dabei ein, sollst du meine Seele haben.“
Der Teufel war einverstanden. Der Ritter musste sich auf seinen Löwen setzen, und schon riss es die beiden in die Lüfte. Während der Luftfahrt wurde Hermann doch müde und schlief ein, den Kopf in der Mähne seines Löwen bergend. Als der Löwe vor sich die Heimat seines Herrn auftauchen sah, dieser sich aber gar nicht rührte, brüllte er laut auf, wodurch Harras erwachte. Sofort eilte er zu seiner Frau.
Seine Seele war dem Teufel verloren dank der Treue seines Löwen. So konnte Hermann noch Jahre im Kreise seiner Lieben verbringen.“ (3)

Friedel selbst erwähnt in seinem Beitrag das die dem Ritter Hermann von Harras zugeschriebene Geschichte ganz ähnlich bei einer anderen Sage über Heinrich den Löwen von Braunschweig zu finden ist. Er vermutet gar, dass Kaufleute die überlieferte sagenhafte Erzählung mit nach Leipzig brachten, wo sie dann nach 1470 dem Ritter angedichtet wurde. Zumal der
Löwe ein Symbol für Stärke, Mut und Ritterlichkeit war (und ist) und so natürlich gern mit einer Person in Verbindung gebracht wurde.

Foto: NL / 16.07.2025
Foto: NL / 16.07.2025

Fazit: Also ein Löwe als hilfreicher Begleiter bei der Vereitelung einer Heirat, die dem Ritter die Braut genommen hätte. Ob es sich dabei um Elisabeth handelte, mit der er später verheiratet war und mindestens vier Kinder hatte, ist nicht überliefert. Jedenfalls ist der Löwen, wie auch immer er als Tier nach Leipzig gekommen ist, ein „wahrer Leipziger Löwe“. In Stein gemeißelt ist er in der Thomaskirche zu Füßen des Ritters Hermann von Harras schon seit nunmehr mehreren Jahrhunderten zu entdecken. Natürlich gehört diese Löwendarstellung in diese Sammlung!

 


Quellen: 
(1) Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_von_Harras
(2) Aus Johann Georg Theodor Grässe: Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Jazzybee Verlag, 2012,  Erstausgabe: 1855).
(3) Artikel von Dr. Jürgen Friedel https://www.leipzig-lese.de/streifzuege/sagen-und-maerchen/hermann-von-harras/


Foto: Norbert Lotz 09/2023
Foto: Norbert Lotz 09/2023

 

Bei diesem Löwen am Haus Menckestraße 24 in Gohlis stellt sich dem Betrachter die Frage: Kann man Löwen eigentlich dressieren, so nach dem Motto, hol das Stöckchen, den Ring? ;-)

 

...sooo. Mit dieser (nicht ganz ernst gemeinten) Fragestellung beende ich hier (vorerst) die Jagd nach Löwen in Leipzig.


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